Bilanz der Ersatzfreiheitsstrafe
Am 14. April um 8.05 Uhr endete meine 25-tägige Ersatzfreiheitsstrafe. Hier meine Presseerklärung mit meiner ersten Bilanz.
Ersatzfreiheitsstrafe vom 1.-25 April 2025
Am 1. April habe ich mich zur Ableistung meiner Ersatzfreiheitsstrafe gemeldet und befinde mich nun für 25 Tage hinter Gittern. Hier meine Presseerklärung dazu, hier mein Offener Brief an die Koalitionäre. Wer genau wissen will, worum es geht und wie es zu dieser Strafe kam, kann es hier nachlesen, und zwar geht es um die Blockade des Nürnberger Altstadtrings am 16. August 2022. Und: hier sind Infos zu den darauf folgenden Gerichtsprozessen, die mich endgültig zur Weißglut trieben.
Im Vorfeld meiner Haft gab es eine Reihe von Fragen, die ich hier beantworten möchte:
- In der besagten Zeit steht mir ein Besuch von einer Stunde zu, dieser „Slot“ ist bereits vergeben.
- Ich freue mich über Post. Die können an die Adresse Jörg Alt SJ, c/o JVA Nürnberg, Mannertstr. 6, 90429 Nürnberg geschickt werden.
- Es dürfen mir KEINE Päckchen, Bücher, Geschenke, nichts Essbares, schlicht gar nichts, von außen geschickt werden. Da sind die bayerischen Vorschriften für Strafgefangene absolut eindeutig.
Wer mir wirklich eine Freude machen will, macht bitte dies:
Meine Haft kostet den Steuerzahler neunmal mehr als die Strafe, die zu zahlen ich mich weigere. Deshalb hat Henning Jeschke auf GoFundMe eine Spendenaktion aufgesetzt, mit der wir Geld für den bayerischen Staat sammeln. Titel: "Spendet Bayern die Gefängniskosten für P. Dr. Jörg Alt SJ!". Nach Entlassung werde ich ihm den Betrag von 4500 Euro überweisen (25x170 Euro Tagessatz plus Ausstattung). Darüber hinausgehend gespendetes Geld werde ich an den Rechtshilfefonds für KlimaaktivistInnen überweisen.
Sodann möchte ich die Aufmerksamkeit, die meine Inhaftierung generieren wird, für die Stärkung der Themen nützen, für die ich überhaupt in den Zivilen Ungehorsam gegangen bin. Hier kommt meine Inhaftierung zum perfekten Zeitpunkt: Den Schlussverhandlungen zum Koalitionsvertrag mit den ganzen Vorhaben zur Entlastung der Reichen, Kürzungen bei den Armen, Stärkung der „Wirtschaft, die tötet“, Zurückfahren von Maßnahmen bei Klima-, Umwelt- und Artenschutz, Verengung von Migrationspolitik auf Abwehr und Restriktion, Kürzungen bei Entwicklungshilfe usw. Deshalb habe ich einen Offenen Brief an die „Koalitionäre“ gerichtet, der durch weitere Zuschriften von euch gestärkt werden kann – schreibt insbesondere den Christlichen Parteien! Die jeweiligen Adressen sind:
- CDU Parteizentrale, Konrad-Adenauer-Haus, Klingelhöferstr.8, 10785 Berlin
- CSU Landesleitung, Franz Josef Strauß-Haus, Mies-van-der-Rohe-Str. 1, 80807 München
- SPD Parteivorstand Willy Brandt Haus, Wilhelmstr. 141, 10963 Berlin
Wenn ihr mir dann eine Kopie eures Schreibens in den Knast schickt, bin ich glücklich und weiß, dass die sicher unangenehme Zeit nicht umsonst ist. Danke und bis die Tage, Jörg
Staatsanwaltschaft warnt, mahnt und lockt
Am 27.November 2024 wurden mir von der Staatsanwaltschaft 500 Euro Strafe und 724,05 Euro Verfahrenskosten in Rechnung gestellt. Die Verfahrenskosten sammelte ich mittels Online-Fundraising ein und überwies sie, in einem Brief an die Staatsanwaltschaft vom 17. Dezember 2024 erklärte ich (erneut), dass ich mangels persönlichem Einkommen die Strafe per Ersatzfreiheitsstrafe absitzen muss. Am 17. Januar 2025 mahnte die Staatsanwaltschaft in einem Brief zur Zahlung der ausstehenden Strafe und drohte andernfalls Ersatzfreiheitsstrafe an – es sei denn, ich beantrage eine Umwandlung der Geldstrafe in die Ableistung durch "Sozialstunden", um so die Ersatzfreiheitsstrafe zu vermeiden. Das werde ich natürlich nicht tun, wie ich ebenfalls am 17. Dezember bereits erklärte. Auch betonte ich am 17. Dezember bereits, dass eine "zwangsweise Beibringung" der Strafe per Gerichtsvollzieher bei mir sinnlos ist, da alles von Wert, das ich nutze, dem Orden gehört und kein Privatbesitz ist.
Offener Brief
Am Tag der Menschenrechte, 10. Dezember 2024, habe ich aus Protest gegen die Verurteilung einen Offenen Brief an die Präsidentin des Bayerischen Obersten Landesgerichts sowie den Vorsitzenden Richter des Strafsenats, der meine Revision abwies, veröffentlicht.
Revision abgelehnt, Urteil rechtskräftig, Ersatzfreiheitsstrafe kommt
Ich konnt nicht akzeptieren, dass Beweisanträge als wahr unterstellt werden, dann aber im Urteil keine Rolle spielen. Das war (nicht nur) nach meiner Ansicht "rechtsfehlerhaft" und ich ging in Revision. Vergeblich: Am 5. November veröffentlichte das Bayerische Oberste Landesgericht die Verwerfung meiner Revision und bestätigte die Strafe der Vorinstanz – eine angemessene Auseinandersetzung mit den Argumenten meines Verteidigers fand nicht statt, auf die "als wahr Unterstellung" der drei Beweisanträge durch das Landgericht wurde nicht substanziell eingegangen. Damit war meine Verurteilung rechtskräftig. Im folgenden finden Sie:
- Meine Stellungnahme zur Rechtskraft des Urteils und mein Beharren auf der Ersatzfreiheitsstrafe
- Der Beschluss des Bayerischen Obersten Landgericht
Berufungsverfahren vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth
Auch in der Berufungsverhandlung ging es vor allem um die Frage, wieviele Autos wo und wie lange im Stau gestanden haben. Als Zeugen der Verteidigung standen zwei Politiker zur Verfügung, die schon bei der Blockade am 16.8.2022 dabei waren: In ihren Stellungnahmen bestätigten Hermann Imhof (CSU) und Uwe Kekeritz (Grüne) aufgrund eigener Erfahrung, dass Demonstrationen und Petitionen keinen angemessenen Handlungsdruck bei politischen Entscheidungstnrägern zu erzeugen vermögen. Ungewöhnlich und (zunächst) erfreulich: Die drei von mir gestellten Beweisanträge wurden als wahr unterstellt:
- Hier der entsprechend Protokollauszug bzgl. der Beweisanträge sowie das Urteil des Landgerichts
- Und hier die drei als wahr unterstellten Beweisanträge zur
- (1) Gegenwärtigkeit und Dringlichkeit des Klimawandels in Verbindung mit ungenügendem Handeln der Regierung,
- (2) zur Geeignetheit der Straßenblockade als Protestform, da mildere Formen versagen und
- (3) dem Mangel an Problemlösungssuche unter dem Einfluss finanzieller Interessengruppen.
Auch wenn als wahr unterstellte Beweisanträge eigentlich eine "erhebliche Behauptung zur Entlastung des Angeklagten" sind (§ 244 StPO), wurden mir von der Richterin wieder Demonstrationen, Bücherschreiben und Parteigründungen empfohlen, bevor sie mich zu 50 Tagessätzen zu 10 Euro verurteilte. Das Sterben im Globalen Süden, meine Sorge um Demokratie und Freiheit oder die kommenden Generationen spielten nur in meiner Einlassung zu Beginn, und dem Letzten Wort am Ende des Prozesses eine Rolle.
Strafprozess vor dem Amtsgericht Nürnberg
Am 30.11.2023 wurde ich für meine Teilnahme an der Straßenblockade vor dem Nürnberger Hauptbahnhof zu 75 Tagessätzen à 15 Euro verurteilt. In der --> Einlassung zu Prozessbeginn <-- habe ich dargelegt, dass die Entscheidung zur Teilnahme an dieser ersten Straßenblockade aufgrund der Weigerung von Verkehrsminister Wissing fiel, am 13. Juli 2022 ein Treibhausgasreduktions-Sofortprogramm vorzulegen. Mittel dazu wie ein Tempolimit oder autofreie Wochenende existieren, die Nichterfüllung der Vorgaben des Klimagesetz kann also nicht mit höherer Gewalt begründet werden, sondern nur mit vorsätzlicher Nicht-Beachtung des Gesetzes. Gegen einen solch offenkundigen Gesetzesbruch wollte ich so protestieren, dass Politik und Gesellschaft unignorierbar alarmiert wird.
Am 30.11.2023 verurteilte das OVG Berlin-Brandenburg die Bundesregierung: Die Bundesregierung, ausdrücklich genannt der Verkehrssektor, sei zu einem Sofortprogramm verpflichtet. Danke, OVG Berlin-Brandenburg!
Am 30.11.2023 begann in Dubai die 28. Weltklimakonferenz. Dazu sagte Papst Franziskus in seinem Schreiben "Laudate Deum": "Auf Klimakonferenzen ziehen die Aktionen von sogenannten „radikalisierten“ Gruppen oft die Aufmerksamkeit auf sich. In Wirklichkeit füllen sie jedoch eine Lücke in der Gesellschaft als Ganzer, die einen gesunden 'Druck' ausüben müsste.“