Transformation in Bayern

Bayern ist nicht irgendein Bundesland. Es ist stolz darauf, die sechstgrößte Ökonomie der Europäischen Union zu sein, es ist in vielerlei Hinsicht ein reiches Land (Geld, Forschung, Industrie, Landschaft....) und: Es sind am 8. Oktober Landtagswahlen. Wird das fossile Weiter-So gewinnen oder kommt es zu einer Bewegung hin zu einer sozial-ökologischen Transformation, die, wenn sie in Bayern gelingen würde, erhebliche Signalwirkung entfalten könnte? Deshalb lohnt sich Protest, deshalb begab sich die Letzte Generation ab dem 14. August 2023 auf Bayerns Straßen.

Ich gebs auf: Ich bin wohl Bayerns politischer Nicht-Gefangener

In 8 Tagen war ich jetzt in 5 Polizeimaßnahmen, erhielt 4 Gefährderansprachen mit Haftandrohung, saß dreimal im Polizeigewahrsam, erhielt 2 Ordnungswidrigkeits- und 2 Strafverfahren und 1 Platzverweis. Gleichzeitig wurden 38 meiner Mit-Demonstrierenden weggesperrt. Zwar hatte auch ich bei jeder Aktion alles dabei, was man im Gefängnis so braucht, schaffte es aber nie in die JVA – obwohl ich genau dasselbe tat, was die anderen taten. Wieder einmal erhielt ich den Promi-Bonus, denn „CSU lässt Pater einsperren“ ist natürlich im Wahlkampf peinlich. Das belegt: Hier geht es um Politik, nicht um Recht. Ich bin wohl Bayerns politischer Nicht-Gefangener. Wie auch immer: Es ist ein Armutszeugnis für jede Regierung, wenn sie berechtigten, legitimen und gebotenen Protest an ihrer Politik der Polizei und Justiz übergibt, damit dieser weggesperrt und mundtot gemacht wird.

Blockade im Dreivierteltakt

Freitag, 8. September: Aktuell sind 38 AktivistInnen im Gefängnis und wir haben Mühe, die nötigen Leute für eine Blockade an der Universität zusammenzubekommen. Aber wir schaffen es, nicht zuletzt deshalb, weil Mitglieder des Orchesters "Lebenslaute" an Ort und Stelle aufspielt. Eine Entspannte Atmosphäre, aber denn erneut: Langwierige Personenkontrolle, Durchsuchung, Gefangenen-Sammelstelle, Kripo und: meine 5. Gefährderansprache mit der Androhung, bei Nichtbeachtung aber nun wirklich-endgültig in Gewahrsam zu kommen. Weder ich noch der Kripobeamte konnten das Lachen verkneifen.

Protestieren, Sanktionieren, Ignorieren?

Noch am Montag, den 4. September, blockierte ich mit Mitgliedern der Letzten Generation ein Stück des Mittleren Rings im Süden von München – Strafermittlungsverfahren wegen Nötigung. Dienstag, 5. September, machten wir einen Slow March vom Marienplatz Richtung Stachus: Die Polizei stoppte uns, kesselte uns ein und erteilte Platzverweise für große Teile der Innenstadt. Mittwoch, 6. September, Mahnwache vor und Slow March um die JVA Stadelheim herum, wo die meisten der (inzwischen) 29 Präventivgefangenen einsitzen. Donnerstag sithe ich auf der Treppe des Erzbischöflichen Ordinariats gegenüber dem Polizeipräsidium und warte auf Menschen, die von dort entlassen werden sollen. Dabei werde ich von 9 Beamten kontrolliert, für verdächtig befunden und erhalte ich meine vierte Gefährderansprache. Zwischenzeitlich mehren sich Stimmen, die die Regierung für ihre verfassungsbrechende Klimapolitik (z.B. FAZ) und den überzogenen Präventivgewahrsam kritisieren (z.B. amnesty international). Selbst Ex-CSU Chef Erwin Huber sieht in der Letzten Generation keinesfalls "Staatsfeinde": Derweil tönt Ministerpräsident Söder derweil im Bierzelt "Arbeiten statt Kleben!" Nur zu gerne. Sobald die Regierung ihren Job macht sind unsere Proteste überflüssig.

Öffentliche Ankündigung weiterer Proteste

4. September. Trotz all meiner Mahnungen, sich mit der Botschaft des Protests zu beschäftigen anstatt die Botschafter wegzusperren macht der bayerische Staat genau dies: Wegsperren. Inzwischen sind 27 Demonstranten in Präventivgewahrsam. Die Themen, um die es geht, sind aber zu wichtig um mundtot gemacht zu werden. Deshalb habe ich beschlossen und öffentlich angekündigt, die Reihen der Weggesperrten aufzufüllen und erneut auf die Straße zu gehen.

Protest vor Verkehrsministerium und Staatskanzlei

Am 1. September 2023 bin ich in München aus zwei Gründen auf die Straße gegangen: Am 17. August (siehe am Seitenende) mahnte ich die bayerische Politik und Öffentlichkeit, auf die Botschaft der Letzten Generation zu hören und nicht die Botschafter wegzusperren. Aber: Die Demonstrierenden wurden weggesperrt, während trotz Extremwetter (Hagel, Überschwemmungen, Hitze....) die Diskussion von Klimakatastrophe und sozial-ökologischer Transformation unterblieb. Dagegen protestierte ich am Weltgebetstag für die Bewahrung der Schöpfung. Dazu hat Papst Franziskus eine Botschaft veröffentlicht, in der er einen sofortigen Ausstieg aus den fossilen Energien anmahnt – genau das, was die bayerische Regierung nicht vorhat. Deshalb protestierten wir vor dem Bayerischen Verkehrsministerium und der Staatskanzlei, hier mein Statement dazu. Aus diesem Grund stellte sich Dr. Pedro Walpole SJ hinter uns, der Koordinator der EcoJesuits, dem Zusammenschluss jener Jesuiten, die sich weltweit für Klima- und Umweltfragen engagieren. Bei ihrer Jahrestagung auf den Philippinen beschlossen sie eine Solidaritätsadresse, in der sie unseren Protest in Bayern zugunsten der Armen und jungen Menschen weltweit ausdrücklich begrüßen. Zusätzliche Rückendeckung bekam der Protest  durch eine Erklärung von 60 Verfassungsrechtlern und 400 Naturwissenschaftlern.

Verfassung und Grundrechtswirklichkeit

Am 10 August 1948 trat in Schloss Herrenchiemsee der Verfassungskonvent zusammen und legte den Grundstein für das heutige Grundgesetz. Deutschland hat eine der besten Verfassungen weltweit, die Bayerische Verfassung steht dem kaum nach. Das Problem ist die praktische Gewährleistung dieser Rechte, etwa, wenn es darum geht, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen, was beide Verfassungen versprechen. Hier sagen Wissenschaft, Verbände und Aktivisten zunehmend, dass das, was die Regierungen vorlegen, nicht ausreicht, um einer Klimakatastrophe zu begegnen. In Bayern stehen Landtagswahlen an. Deshalb protestiert die Letzte Generation in Bayern, und deshalb habe ich einige kritikwürdige Punkte zur bayerischen Politik zusammengetragen, um die Berechtigung dieses Protests zu belegen.

Allerdings: Meine Rede, obwohl vom Bürgersteig aus gehalten, wurde von der Polizei ungnädig aufgenommen und ich wurde mit den Demonstranten verhaftet und in die Gefangenensammelstelle zur Erkennungsdienstlichen Behandlung gebracht. Außerdem erhielt ich, weil ich mein Grundrecht auf Demonstrations-, Versammlungs- und Redefreiheit ausgeübt habe, eine weitere Gefährderansprache und ein weiteres Strafverfahren wegen Nötigung, was in diesem Fall absolut absurd und an den Haaren herbeigezogen ist, da ich NICHT auf der Straße und NICHT Teil der Blockade war.

Hier die Redeversion, die ich während der Straßenblockade am 17. August vor dem Nürnberger Hauptbahnhof verlesen habe, hier die Langversion mit Belegen, Fußnoten und Links.

Weitere Belege zur Diskrepanz zwischen Wort und tat in Bayern enthält meine Vortragsseite mit einer Analyse des Koalitionsvertrags der CSU/FW Regierung und seiner Umsetzung sowie die Website des Bündnisses WirTransformierenBayern oder Bayernplan für eine sozial-ökologische Transformation.

Unterstützung des Protests durch ECOJESUIT

Die gewaltfreien Proteste der Letzten Generation und mir zugunsten des Globalen Südens und der künftigen Generationen werden unterstützt vom Netzwerk der ECOJESUITs, d.h. dem Netzwerk jener Jesuiten, die sich in den Bereichen Klima und Umwelt engagieren. Hier das gesprochene Statement des Netzwerkkoordinators, P. Dr. Pedro Walpole SJ.